Mutterns Hände
LIEBEVOLLE WORTE
Wenn Poesie direkt ins Herz trifft
Kurt Tucholsky – das ist doch der mit den bissigen, politischen Texten, oder? Stimmt, aber er konnte auch unglaublich einfühlsam sein.
Ein perfektes Beispiel dafür ist sein Gedicht Mutterns Hände. Ohne Pathos, aber mit viel Gefühl beschreibt er darin die Hände einer Mutter – gezeichnet vom Leben, vom Arbeiten, vom Sorgen und Kümmern.
Was macht dieses Gedicht so besonders?
Dabei braucht er keine großen Worte, um Bilder zu erzeugen. Wenn er von den müden, faltigen Händen spricht, sehen wir sie förmlich vor uns. Es geht um die Spuren, die das Leben hinterlässt – nicht nur auf der Haut, sondern auch in der Seele.
Die Mutter, die in jungen Jahren vielleicht zarte Hände hatte, hat sie mit der Zeit für ihre Familie „aufgerieben“. Doch genau darin steckt die Wärme und Fürsorge, die das Gedicht so berührend macht.
Natürlich klingt Mutterns Hände nach einer Hommage an vergangene Zeiten, an ein Mutterbild, das vielleicht nicht mehr so ganz in unsere moderne Welt passt.
Aber die Botschaft bleibt zeitlos: Wahre Liebe zeigt sich nicht in großen Gesten, sondern in den kleinen Dingen, die oft übersehen werden – oder eben in Händen, die ihr ganzes Leben für andere da waren.

Warum berührt das Gedicht auch heute noch?
Vielleicht, weil jeder von uns eigene Erinnerungen damit verbindet. An die Mutter, die einem als Kind über den Kopf strich. An die Großmutter, deren Hände immer ein bisschen rau waren, aber unglaublich sanft.
Mutterns Hände ist ein Gedicht, das uns daran erinnert, wie viel Fürsorge und Liebe in solchen alltäglichen Details steckt – und dass wir diese oft erst schätzen, wenn sie nicht mehr da sind.
Mutterns Hände
(1929)
Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm –
un jewischt und jenäht
un jemacht und jedreht…
alles mit deine Hände.
Hast de Milch zujedeckt,
uns Bobongs zujesteckt
un Zeitungen ausjetragn –
hast die Hemden jezählt
und Kartoffeln jeschält…
alles mit deine Hände.
Hast uns manches Mal
bei jroßem Schkandal
auch’n Katzenkopp jejeben.
Hast uns hochjebracht.
Wir wahn Sticker acht
sechse sind noch am Leben…
alles mit deine Hände.
Heiß warn se un kalt
Nu sind se alt
nu bist du bald am Ende.
Da stehn wa nu hier,
und denn komm wir bei dir
und streicheln deine Hände.