5 klassische Gedichte

ZUM FRÜHLINGSANFANG

Der Frühling reckt sich uns mit all seinen Farben, Formen, Geräuschen und Gerüchen entgegen. In dieser wundervollen Jahreszeit hat sich so mancher Dichter zu einem Gedicht hinreißen lassen.

Zum Frühlingsanfang möchte ich Euch einige klassische Frühlingsgedichte mit in diese blühende Zeit geben und wünsche Euch viel Freude beim Lesen.

Frühlings Ankunft

Alle Vögel sind schon da,
alle Vögel, alle!
Welch ein Singen, Musiziern,
Pfeifen, Zwitschern, Tiriliern!’
Frühling will nun einmarschiern,
kommt mit Sang und Schalle.

Wie sie alle lustig sind,
flink und froh sich regen!
Amsel, Drossel, Fink und Star
und die ganze Vogelschar
wünschet dir ein frohes Jahr,
lauter Heil und Segen.

Was sie uns verkünden nun,
nehmen wir zu Herzen:
Wir auch wollen lustig sein,
lustig wie die Vögelein,
hier und dort, feldaus, feldein
singen, springen, scherzen!

August Heinrich von Fallersleben

Sonne im Frühling

Die Sonne sagt zum Frühlingswind:
erhebe dich, steh auf geschwind,
und stell dich auf die Beine!

Der Wind reibt sich die Augen aus
und säuselt mild: Zieh du heraus.
Scheine, Sonne, scheine!

Da steigt die Sonne uns aufs Dach.
Der Lenzwind küßt die Veilchen wach,
die fangen an zu blühn.

Die Lerche singt, der Kuckuck schreit.
Herbei, herbei, du Maienzeit,
jetzt prangt die Welt in Grün.

Volksgut

Er ist´s

Frühling läßt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte.
Süße, wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon,
wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist´s !
Dich hab` ich vernommen.

Eduard Mörike

An den Frühling

Willkommen, schöner Jüngling!
Du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen –
Willkommen auf der Flur!

Ei! Ei! Da bist ja wieder!
Und bist so lieb und schön!
Und freun wir uns so herzlich,
entgegen dir zu gehn.

Denkst auch noch an mein Mädchen?
Ei, Lieber, denke doch!
Dort liebte mich das Mädchen,
und ´s Mädchen liebt mich noch!

Für`s Mädchen manches Blümchen
erbettelt ich von dir –
Ich komm und bettle wieder,
Und Du? – Du gibst es mir?

Willkommen, schöner Jüngling!
Du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen –
Willkommen auf der Flur!

Friedrich von Schiller

Frühzeitlicher Frühling

Tage der Wonne,
kommt ihr so bald?
Schenkt mir die Sonne,
Hügel und Wald?

Reichlicher fließen
Bächlein zumal.
Sind es die Wiesen?
Ist es das Tal?

Blauliche Frische!
Himmel und Höh`!
Goldene Fische
wimmeln im See.

Buntes Gefieder
rauschet im Hain,
himmlische Lieder
schallen darein.

Unter des Grünen
blühender Kraft
naschen die Bienen
summend am Saft.

Leise Bewegung
bebt in der Luft,
reizende Regung,
schläfernder Duft.

Mächtiger rühret
bald sich ein Hauch,
doch er verlieret
gleich sich im Strauch.

Aber zum Busen
kehrt er zurück:
Helfet, ihr Musen,
tragen das Glück!

Saget, seit gestern
wie mir geschah?
Liebliche Schwestern,
Liebchen ist da!

Johann Wolfgang von Goethe