Die Wiederentdeckung der Poesie

Eine Reise durch Sprache, Liebe und Emotionen

In der Welt der Poesie werden Worte zu Bildern, Klängen und Emotionen. Ein gut geschriebenes Gedicht kann uns dazu bringen, die Welt mit neuen Augen zu sehen, uns zum Lächeln bringen oder uns zum Nachdenken anregen. Es ist ein Medium, das uns ermöglicht, uns auszudrücken und unsere tiefsten Gefühle und Gedanken zu teilen.

Gedichte sind nicht nur dazu da, gelesen zu werden; sie sind dazu da, gefühlt zu werden. In Momenten der Liebe können wir uns von romantischen Gedichten verzaubern lassen und uns in die Tiefen unserer Gefühle hineinversetzen. Die Worte eines Gedichts können uns Trost spenden, wenn wir traurig sind, oder uns dazu inspirieren, wenn wir nach Hoffnung suchen.

Die französische Sprache, bekannt als „die Sprache der Liebe“, bietet einen besonders reichen Schatz an poetischen Werken. Von den romantischen Gedichten der Romantik bis hin zu den modernen Versen zeitgenössischer Dichter – die französische Lyrik hat die Kraft, unsere Herzen zu berühren und unsere Seelen zu erheben.

Themen der Poesie sind so vielfältig wie das Leben selbst. Von Liebe und Leidenschaft bis hin zu Trauer und Verzweiflung – die Poesie spiegelt die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen wider. Sie ist ein Medium, das uns dazu einlädt, uns mit uns selbst und mit anderen zu verbinden, uns zu inspirieren und zu trösten.

Les Roses de Saadi
Marceline Desbordes-Valmore

J’ai voulu ce matin te rapporter des roses;
Mais j’en avais tant pris dans mes ceintures closes
Que les nœuds trop serrés n’ont pu les contenir.

Les nœuds ont éclaté. Les roses envolées
Dans le vent, à la mer s’en sont toutes allées.
Elles ont suivi l’eau pour ne plus revenir ;

La vague en a paru rouge et comme enflammée.
Ce soir, ma robe encore en est tout embaumée…
Respires-en sur moi l’odorant souvenir.

Übersetzung

Die Rosen von Saadi

Heute Morgen wollte ich dir Rosen mitbringen;
Aber ich hatte so viele in meinen geschlossenen Gürteln.
Die Schleifen waren zu eng, um sie zu halten.

Die Schleifen sind geplatzt. Die Rosen flogen davon
Im Wind, im Meer, sind alle weggegangen.
Sie sind dem Wasser gefolgt und nicht mehr zurückgekehrt;

Die Wellen waren rot und wie in Flammen.
Heute Abend ist mein Gewand noch voller Duft…
Atme die duftende Erinnerung an mich ein.

Erläuterung
Die Schriftstellerin war insbesondere dafür bekannt, Gefühle wie Melancholie, Verzweiflung und verlorener Liebe mit Leichtigkeit zu vermitteln. Ihr Gedicht Les Roses de Saadi (1860) lässt viel Interpretationsspielraum. In kurzen Worten geht es darum, Blumen zu einem geliebten Menschen zu bringen, die aufgrund verschiedener Umstände nicht ankommen; jedoch als duftende Erinnerung verbleiben.

 

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Demain, dès L’aube
Victor Hugo

Demain, dès l’aube, à l’heure où blanchit la campagne,
Je partirai. Vois-tu, je sais que tu m’attends.
J’irai par la forêt, j’irai par la montagne.
Je ne puis demeurer loin de toi plus longtemps.

Je marcherai les yeux fixés sur mes pensées,
Sans rien voir au dehors, sans entendre aucun bruit,
Seul, inconnu, le dos courbé, les mains croisées,
Triste, et le jour pour moi sera comme la nuit.

Je ne regarderai ni l’or du soir qui tombe,
Ni les voiles au loin descendant vers Harfleur,
Et quand j’arriverai, je mettrai sur ta tombe
Un bouquet de houx vert et de bruyère en fleur.

Übersetzung

Wenn morgens in der Früh

Wenn morgens in der Früh das erste Licht die Feldererhellt,
dann brech‘ ich auf. Ich weiß, du wartest schon auf mich.
Ich werde über Berge reisen und durch Wälder
denn länger kann ich nicht mehr bleiben ohne dich.

Ich will den Blick auf meinem Weg nach innen wenden,
von draußen überhaupt nichts hören und nichts seh’n,
allein, gebeugt und mit verschränkten Händen
durch Tag wie Nacht betrübt und unbeachtet geh’n.

Das Gold des Abendrots betrachte ich nie wieder,
auch nicht die Segel vor Harfleur auf hoher See,
und komm‘ ich an, leg‘ ich auf deinem Grabe nieder
aus Heidekraut und grünem Stechpalm ein Bouquet.

Erläuterung:
Dieses Gedicht entstand anlässlich des tragischen Todes seiner Tochter. Sie verstarb bei einem Bootsunglück auf der Seine nahe der erwähnten Stadt Harfleur in der Normandie.

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À une Passante
Charles Baudelaire

La rue assourdissante autour de moi hurlait.
Longue, mince, en grand deuil, douleur majestueuse,
Une femme passa, d’une main fastueuse
Soulevant, balançant le feston et l’ourlet;

Agile et noble, avec sa jambe de statue.
Moi, je buvais, crispé comme un extravagant,
Dans son oeil, ciel livide où germe l’ouragan,
La douceur qui fascine et le plaisir qui tue.

Un éclair… puis la nuit! — Fugitive beauté
Dont le regard m’a fait soudainement renaître,
Ne te verrai-je plus que dans l’éternité?

Ailleurs, bien loin d’ici! trop tard! jamais peut-être!
Car j’ignore où tu fuis, tu ne sais où je vais,
Ô toi que j’eusse aimée, ô toi qui le savais!

Übersetzung

An eine Passantin

Betäubend rings um mich der Lärm der großen Stadt.
Groß und schmal, in hoher Trauer, schritt umfangen
von stolzem Leid ein Weib vorbei, die Hand wie Prangen
strich sie am Mantelsaume nestelnd Fransen glatt,

Behend und nobel, einer Statue glich ihr Bein.
Ich aber sog, ein Schwärmer, den Phantome kirrten,
aus ihrem Auge blauem Nass, wo Blitze irrten,
die Süße, die bezirzt, das Gift, der Wollust Wein.

Ein heller Strahl … und dann die Nacht! Die Schöne floh,
deren Blick mir zückte neuen Lebens Schimmer,
werd ich im Jenseits deines Bildes einstmals froh?

Andern Ortes, fern, zu spät, wohl nie und nimmer!
Keiner weiß vom andern, wohin der Weg ihn führt.
O du, dich hätte ich geliebt, du hastʼs erspürt!

Erläuterung
Dieses Gedicht geht zurück es auf eine persönliche Erfahrung des Dichters. Sein Erlebnis mit einer ihm unbekannten Frau auf der Straße, die an ihm vorbeiging, ließ ihn ehrfürchtig vor der Schönheit und Ausgeglichenheit dieser Dame sein.

Es geht hier um den Zufall bzw. um die Möglichkeiten. Es besagt, dass jedes Erlebnis in unserem Leben die Chance gibt, dieses in eine andere Richtung zu steuern. Dieses wunderschöne Gedicht soll die Leser:innen daran erinnern, was man fühlt, wenn man sich an eine Liebe zurückerinnert, die nie die Möglichkeit hatte, zu blühen und zu wachsen.

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Le Pont Mirabeau
Guillaume Apollinaire

Sous le pont Mirabeau coule la Seine
Et nos amours
Faut-il qu’il m’en souvienne
La joie venait toujours après la peine

Vienne la nuit sonne l’heure
Les jours s’en vont je demeure

Les mains dans les mains restons face à face
Tandis que sous
Le pont de nos bras passe
Des éternels regards l’onde si lasse

Vienne la nuit sonne l’heure
Les jours s’en vont je demeure

L’amour s’en va comme cette eau courante
L’amour s’en va
Comme la vie est lente
Et comme l’Espérance est violente

Vienne la nuit sonne l’heure
Les jours s’en vont je demeure

Passent les jours et passent les semaines
Ni temps passé
Ni les amours reviennent
Sous le pont Mirabeau coule la Seine

Vienne la nuit sonne l’heure
Les jours s’en vont je demeure

Übersetzung

Die Mirabeau-Brücke

Unter der Mirabeau-Brücke fließt die Seine
Und unsere Liebe
Muss ich mich erinnern
Freude kam immer nach dem Leid

Wenn es Nacht, schlägt die Stunde
Die Tage vergehen, ich bleibe.

Die Liebe fließt davon, wie dieses Wasser
Die Liebe fließt weg
Wie langsam das Leben ist
Und wie gewaltig die Hoffnung

Wenn es Nacht, schlägt die Stunde
Die Tage vergehen, ich bleibe.

Die Tage und die Wochen vergehen.
Weder die Zeit
noch die Liebe kommen zurück
Unter der Mirabeau-Brücke fließt die Seine.

Wenn es Nacht, schlägt die Stunde
Die Tage vergehen, ich bleibe

Erläuterung:
Dieses Gedicht greift die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe unter der Mirabeau-Brücke auf. Sie liegt an der idyllischen Seine. Es wird vermutet, dass der Dichter hier seine Inspiration aus der eigenen Beziehung mit der Künstlerin Marie Laurencin gewonnen hat. Er traf sie einst beim Überqueren der Brücke. Das Gedicht ist auf der ganzen Welt bekannt und geliebt.

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Mein absolutes Lieblingsgedicht ist hier Les Roses de Saadi. Und Eures?