Seine 15 schönsten Liebesgedichte
Die Lyrik der Liebe in Zeiten des Widerspruchs
Erich Fried, der österreichische Dichter, hat nicht nur politische Wellen mit seinen kritischen Gedichten geschlagen, sondern auch eine intime Seite seiner Persönlichkeit in seinen Liebesgedichten gezeigt. Inmitten der gesellschaftlichen Unruhen des 20. Jahrhunderts fand Fried einen Ausdruck für die zarten Nuancen menschlicher Beziehungen, der in seinen Liebesversen lebendig wird.
In einer Welt, die von Konflikten und politischer Spannung geprägt war, entfaltete Erich Fried seine romantische Ader und schuf eine Lyrik, die ebenso leidenschaftlich wie einfühlsam war. Seine Liebesgedichte zeugen von einer tiefen Sehnsucht nach Verbundenheit und einem intensiven Verlangen nach Menschlichkeit.
Die Emotionen in der Poesie
Erich Frieds Liebesgedichte zeichnen sich durch ihre Ehrlichkeit und Intensität aus. Inmitten der politischen Stürme fand er in der Liebe einen Zufluchtsort für zärtliche Gefühle und innige Momente. Seine Worte weben eine emotionale Decke, die über die Leserinnen und Leser fällt und eine Verbindung zu den universellen Erfahrungen menschlicher Liebe herstellt.
Die Vielschichtigkeit der Liebe
Erich Frieds Liebeslyrik erkundet verschiedene Facetten der Liebe – von der leidenschaftlichen Hingabe bis zur zarten Melancholie. Seine Gedichte zeichnen ein reichhaltiges Bild von Beziehungen und menschlichen Emotionen, wobei er die Liebe als einen konstanten Anker in einer unsicheren Welt feiert.
Auch nach seinem Tod im Jahr 1988 bleibt Erich Frieds Erbe in Form seiner Liebesgedichte lebendig. Seine Worte sind nicht nur Relikte vergangener Zeiten, sondern zeitlose Vermächtnisse, die die Kraft haben, auch heute noch Herzen zu berühren und Menschen zu inspirieren, sich der Liebe in all ihren Formen zu öffnen.
In seinen Liebesgedichten schimmert eine unvergängliche Romantik, die sich durch die Wirren der Zeit behauptet. Seine Poesie erinnert uns daran, dass selbst in den dunkelsten Stunden die Flamme der Liebe lebendig bleibt und uns mit der Essenz unserer Menschlichkeit verbindet.
Findet hier seine 15 schönsten Liebesgedichte:

gekuesst sein
wenn du mich kuesst
ist es nicht nur mein mund
nicht nur mein nabel
nicht nur mein schoß
den du kuesst
du kuesst auch meine fragen
und meine wuensche
du kuesst mein nachdenken
meine zweifel
und meinen mut
meine liebe zu dir
und meine freiheit von dir
meinen fuß
der hergekommen ist
und der wieder fortgeht
du kuesst mich
wie ich bin
und wie ich sein werde
morgen und spaeter
und wenn deine zeit vorbei ist
Aber
Zuerst habe ich mich verliebt
in den Glanz deiner Augen
in dein Lachen
in deine Lebensfreude
Jetzt liebe ich auch dein Weinen
und deine Lebensangst
und die Hilflosigkeit
in deinen Augen
Aber gegen die Angst
will ich dir helfen
denn meine Lebensfreude
ist noch immer der Glanz deiner Augen
Du
Wo keine Freiheit ist
bist du die Freiheit
Wo keine Würde ist
bist du die Würde
Wo keine Wärme ist
keine Nähe von Mensch zu Mensch
bist du die Nähe und Wärme
Herz der herzlosen Welt
Deine Lippen und deine Zunge
sind Fragen und Antwort
In deinen Armen und deinem Schoß
ist etwas wie Ruhe
Jedes Fortgehenmüssen von dir
geht zu auf das Wiederkommen
Du bist ein Anfang der Zukunft
Herz der herzlosen Welt
Du bist kein Glaubensartikel
und keine Philosophie
keine Vorschrift und kein Besitz
an den man sich klammert
Du bist ein lebender Mensch
du bist eine Frau
und kannst irren und zweifeln und gutsein
Herz der herzlosen Welt
Aber solange ich atme
Auch was
auf der Hand liegt
muss ich
aus der Hand zu geben
bereit sein
und muss wissen
wenn ich liebe
dass es wirklich
die Liebe zu dir ist
und nicht nur
die Liebe zur Liebe zu dir
und dass ich nicht
eigentlich
etwas Uneigentliches will
Aber
solange ich atme
will ich
wenn ich den Atem
anhalte
deinen Atem
noch spüren
in mir
In Gedanken
für eine ganz bestimmte Frau…
Dich denken
und an dich denken
und ganz an dich
denken und
an das Dich-Trinken
denken
und an das Dich-
Lieben denken
und an das Hoffen
denken
und hoffen und hoffen
und immer mehr hoffen
auf das Dich-immer
Wiedersehen
Dich nicht sehen
und in Gedanken
dich nicht nur denken
sondern dich auch
schon trinken
und dich schon lieben
Und dann erst die
Augen aufmachen
und in Gedanken
dann erst dich sehen
und dann dich denken
Und dann wieder dich
lieben
und wieder dich
trinken
und dann
dich immer schöner
und schöner sehen
und dann dich denken
sehen
und denken
daß ich dich sehe
Und sehen daß ich
dich denken kann
und dich spüren
auch wenn ich dich
noch lange nicht
sehen kann
Ohne Dich
Nicht nichts
ohne dich
aber nicht dasselbe
Nicht nichts
ohne dich
aber vielleicht weniger
Nicht nichts
aber weniger
und weniger
Vielleicht nicht nichts
ohne dich
aber nicht mehr viel
Nachtgedicht
Dich bedecken
nicht mit Küssen
nur einfach
mit deiner Decke
(die dir von der Schulter geglitten ist)
dass du im Schlaf nicht frierst.
Später
wenn du erwacht bist
das Fenster zumachen
und dich umarmen
und dich bedecken
mit Küssen
und dich entdecken.
Meine Wahl
Gesetzt ich verliere dich
und hab dann zu entscheiden
ob ich dich noch ein Mal sehe
und ich weiß:
Das nächste Mal
bringst du mir zehnmal mehr Unglück
und zehnmal weniger Glück
Was würde ich wählen?
Ich wäre sinnlos vor Glück
dich wiederzusehen
Nur nicht
Das Leben
wäre
vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte
Weniger Trauer
jedes Mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger Angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung
Und auch nicht soviel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das Unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil es nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet
Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
Es wäre nur nicht
mein Leben
Was war das?
Ohne dich sein
ganz ohne dich
und langsam
zu vergessen beginnen
und ganz vergessen
wie es mit dir war
ganz mit dir
und dann halb
halb mit und halb ohne
und ganz zuletzt
ganz ohne
Ganz ohne was?
Was war denn das:
»Mit dir sein?«
Was war das: »Du
du du du du
du und ich?«
Das waren wir
und dieses Wir
was war das?
Die letzten Menschen
reden vielleicht davon
wie es war
als es Gras gab und Tiere
mit denen man lebte
Und dann wird einer fragen:
»Was waren das:
Tiere?«
Wird etwas
übrigbleiben
von mir
und fragen:
»Was war das:
Du?«
In dieser Zeit
Gegen das
alles
du
als mein Gegengewicht?
Vielleicht
wenn du wirklich
bei mir wärest
um mich zu halten
um zu liegen auf mir
in der Nacht
damit dieser Sog
mich nicht fortreißt
weil auch du
immer wieder
ankämpfst
gegen das alles
Und gegen das alles
für dich
ich
als dein Gegengewicht?
Vielleicht
wenn ich wirklich
bei dir bin
um dich zu halten
Halten
Halten
das heißt
Nicht weiter – nicht näher – nicht einen Schritt
oder heißt Schritthalten
ein Versprechen – mein Wort
oder Rückschau
Halten
dich
mich zurück – den Atem an – mich an dich
dich fest
aber nicht
dir etwas vorenthalten
Halten
dich in den Armen
in Gedanken – im Traum – im Wachen
Dich hochhalten
gegen das Dunkel
des Abends – der Zeit – der Angst
Halten
dein Haar mit zwei Fingern
deine Schultern – dein Knie – deinen Fuß
Sonst nichts mehr halten
keinen Trumpf – keine Reden
keinen Stecken und Stab und keine Münze im Mund
Wollen
Bei dir sein wollen
Mitten aus dem was man tut
weg sein wollen
bei dir verschwunden sein
Nichts als bei dir
näher als Hand an Hand
enger als Mund an Mund
bei dir sein wollen
In dir zärtlich zu dir sein
dich küssen von außen
und dich streicheln von innen
so und so und auch anders
Und dich einatmen wollen
immer nur einatmen wollen
tiefer tiefer
und ohne Ausatmen trinken
Aber zwischendurch Abstand suchen
um dich sehen zu können
aus ein zwei Handbreit Entfernung
und dann dich weiterküssen
Dich
Dich
dich sein lassen
ganz dich
Sehen
dass du nur du bist
wenn du alles bist
was du bist
das Zarte
und das Wilde
das was sich losreißen
und das was sich anschmiegen will
Wer nur die Hälfte liebt
der liebt dich nicht halb
sondern gar nicht
der will dich zurechtschneiden
amputieren
verstümmeln
Dich dich sein lassen
ob das schwer oder leicht ist?
Es kommt nicht darauf an mit wieviel
Vorbedacht und Verstand
sondern mit wieviel Liebe und mit wieviel
offener Sehnsucht nach allem –
nach allem
was du ist
Nach der Wärme
und nach der Kälte
nach der Güte
und nach dem Starrsinn
nach deinem Willen
und deinem Unwillen
nach jeder deiner Gebärden
nach deiner Ungebärdigkeit
Unstetigkeit
Stetigkeit
Dann
ist dieses
dich dich sein lassen
vielleicht
gar nicht so schwer.
Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe