Lyrik aus den Herzen

INTERNATIONAL

Liebesgedichte haben diese einzigartige Gabe, Emotionen in Worte zu fassen und unser Herz zu bewegen. Hier möchte ich Dich mit auf eine Reise durch die Poesie nehmen und präsentiere Dir die zehn schönsten Liebesgedichte aller Zeiten, die die Essenz der Liebe in ihrer reinsten Form einfangen.

Jedes Gedicht erzählt eine einzigartige Geschichte und berührt auf seine Weise Dein Herz.

1. Beginnen wir mit William Shakespeare; Sonett Nr. XVIII: “Shall I compare thee to a summer’s day?” („Vergleich ich dich mit einem Sommertag?“). Es ist ein zeitloser Klassiker und eine Hommage an die Schönheit der Liebe und die Unvergänglichkeit der Poesie.

Sonett Nr. XVIII: Shall I compare thee to a summer’s day?
von William Shakespeare

Shall I compare thee to a summer’s day?
Thou art more lovely and more temperate:
Rough winds do shake the darling buds of May,
And summer’s lease hath all too short a date:
Sometime too hot the eye of heaven shines,
And often is his gold complexion dimmed;
And every fair from fair sometime declines,
By chance, or nature’s changing course, untrimmed:
But thy eternal summer shall not fade
Nor lose possession of that fair thou ow’st;
Nor shall Death brag thou wanderest in his shade,
When in eternal lines to time thou grow’st:
So long as men can breathe or eyes can see,
So long lives this, and this gives life to thee.

Hier findest du die deutsche Übersetzung: Gedichte zum Valentinstag

2. Die berühmten Zeilen von Elizabeth Barrett Browning in „Sonnets from the Portuguese 43: How do I love thee? Let me count the ways.“ drücken die Tiefe und Intensität der Liebe aus, während sie die unzähligen Wege zählt, auf denen die Liebe erfahren wird.

Sonnets from the Portuguese 43:
How do I love thee? Let me count the ways.

Elizabeth Barrett Browning

How do I love thee? Let me count the ways.
I love thee to the depth and breadth and height
My soul can reach, when feeling out of sight
For the ends of being and ideal grace.
I love thee to the level of every day’s
Most quiet need, by sun and candle-light.
I love thee freely, as men strive for right;
I love thee purely, as they turn from praise.
I love thee with the passion put to use
In my old griefs, and with my childhood’s faith.
I love thee with a love I seemed to lose
With my lost saints. I love thee with the breath,
Smiles, tears, of all my life; and, if God choose,
I shall but love thee better after death.

Hier ist die deutsche Übersetzung:

XLIII
(Übersetzung von Rainer Maria Rilke, 1908)

Wie ich dich liebe? Laß mich zählen wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
als meine Seele blindlings reicht, wenn sie
ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.

Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand,
den jeder Tag erreicht im Lampenschein
oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein
wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.

Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.

Mit allem Lächeln, aller Tränennot
und allem Atem. Und wenn Gott es giebt,
will ich dich besser lieben nach dem Tod.

3. „Wenn Du mich vergisst…“ ist ein so wunderschönes Gedicht und eine Ode an die Liebe. Eine stille Erinnerung, ein sanftes Weben mit den Worten und dem Herzen.

Wenn Du mich vergisst …
Pablo Neruda

Wenn Du mich vergisst
Ich möchte, dass Du
etwas erfährst

Du weißt, wie es ist:
wenn ich schaue-
zum Kristallmond, zum roten Ast
des langsamen Herbstes vor meinem Fenster,
wenn ich berühre
am Feuer
die unfühlbare Asche
oder den runzligen Holzkörper,
alles führt mich zu Dir,
so wie wenn alles, was existiert,
Düfte, Licht, Metalle,
kleine Schiffe wären, die zu deine Inseln
fahren, die mich erwarten.

Allerdings nun,
wenn Du nach und nach aufhörst, mich zu lieben
werde ich aufhören dich zu lieben, nach und nach

Wenn Du mich plötzlich
vergisst
such mich nicht,
denn ich werde dich längst vergessen haben.

Wenn Du lang und närrisch
den Fahnenwind bedenkst,
der durch mein Leben zieht
und dich entscheidest
mich am Ufer zurück zu lassen
am Ufer des Herzens, in den meine Wurzeln wachsen,
bedenke, dass ich,
an diesen Tag,
zu jener Stunde,
meine Arme heben werde
und meine Wurzeln werden hinaustreten,
um eine andere Erde zu suchen

Aber wenn Du,
jeden Tag,
zu jeder Stunde,
mit unerbittlicher Sanftheit fühlst,
dass ich dein Schicksal bin.
Wenn an jedem Tag eine Blume
deine Lippen hochsteigt, um mich zu suchen,
ach meine Liebe, ach Meine,
dann wiederholt sich in mir dieses ganze Feuer,
nichts stirbt oder vergisst in mir,
meine Liebe ernährt sich von deiner Liebe, Liebste,
und während Du lebst wird sie in deinen Armen sein
ohne die meinen zu verlassen. „

4. Dickinsons kraftvolles Gedicht fängt die leidenschaftliche Intensität der Liebe ein und malt ein Bild von wilden Nächten, die von Liebe erfüllt sind.

Wild nights – Wild nights
Emily Dickinson

Wild nights – Wild nights!
Were I with thee
Wild nights should be
Our luxury!

Futile – the winds –
To a Heart in port –
Done with the Compass –
Done with the Chart!

Rowing in Eden –
Ah – the Sea!
Might I but moor – tonight –
In thee!

Hier ist die deutsche Übersetzung:

Stürmische Nächte

Stürmische Nächte – stürmische Nächte!
Wenn ich bei dir wär –
Stürmische Nächte sollten
Unser Luxus sein!

Sinnlos – die Winde –
Einem Herzen als Hafen –
Der Kompass wird nicht mehr gebraucht –
Und Seekarten auch nicht!

Rudere im Paradies –
Ah, das Meer!
Möge ich in dir ankern –
Heut Nacht!

5. „Bright Star“ von John Keats ist eine Hommage an die unvergängliche Natur der Liebe und das Verlangen nach einer Liebe, die so konstant ist wie der leuchtende Stern.

Bright Star
John Keats

Bright star! would I were steadfast as thou art –
Not in lone splendour hung aloft the night,
And watching, with eternal lids apart,
Like Nature’s patient sleepless Eremite,
The moving waters at their priestlike task
Of pure ablution round earth’s human shores,
Or gazing on the new soft fallen mask
Of snow upon the mountains and the moors –
No – yet still steadfast, still unchangeable,
Pillow’d upon my fair love’s ripening breast,
To feel for ever its soft fall and swell,
Awake for ever in a sweet unrest,
Still, still to hear her tender – taken breath,
And so live ever – or else swoon to death.

Hier ist die deutsche Übersetzung:

Heller Stern

Heller Stern, ich wollt‘ ich wäre standhaft wie du –
doch nicht in einsamer Pracht hoch oben hängend
bei Nacht mit ewig offnen Lidern betrachtend
– wie der Natur geduldig schlafloser Eremit –
die Wasser in Bewegung bei priesterlicher Arbeit
mit heiligen Waschungen an unserer Erde Küsten,
oder blickend auf die weich und frisch gefallene Maske
aus Schnee auf den Bergen und den düsteren Heiden –
Nein – doch stets noch standhaft, unveränderlich
gelehnt an meiner Liebsten reifende Brüste,
für immer zu fühlen ihr weiches Schwellen und
Fallen,
für immer wach, bereit zu süßer Unruh,
um noch und noch ihr zärtliches Atmen zu hören,
so immer zu leben oder sonst ohnmächtig sterben.

6. Dieses sehr aussagekräftige Gedicht von Kaléko kann hier nur in Auszügen dargestellt werden; zeigt Dir jedoch die Tiefe dieser Hommage!

Für Einen (ein Auszug)
Mascha Kaléko

Die Andern sind das weite Meer.
Du aber bist der Hafen. So glaube mir:
kannst ruhig schlafen,
Ich steure immer wieder her.

Du bist der Leuchtturm. Letztes Ziel.
Kannst, Liebster, ruhig schlafen.
Die Andern … das ist Wellen-Spiel,
Du aber bist der Hafen.

7. Das populärste Gedicht von Fried ist wohl „Was es ist“. In seiner einfachen und direkten Sprache plädiert er für die Liebe und zwar gegen alle Argumente dagegen.

Was es ist
Erich Fried

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

8. Die unkonventionelle Struktur dieses Gedichts spiegelt die einzigartige und tief verwurzelte Verbindung zwischen zwei Liebenden wider.

Ich trage dein Herz bei mir
(Original: „I carry your heart with me“)
E. E. Cummings

Ich trage dein Herz bei mir.
Ich trage es in meinem Herzen.

Nie bin ich ohne es.
Wohin ich auch gehe, gehst du, meine Teure.
Und was auch immer nur von mir allein getan wird, ist dein Werk, mein Schatz.
Ich fürchte kein Schicksal, weil du mein Schicksal bist, meine Liebste.
Ich brauche keine Welt, weil du meine Schöne, meine Welt bist, meine Wahre.

Du bist, wofür ein Mond jemals stand.
Und was eine Sonne auch immer singen wird, bist du.

Hier ist das tiefste Geheimnis, um das keiner weiß.
Hier ist die Wurzel der Wurzel und die Knospe der Knospe
Und der Himmel des Himmels, eines Baumes namens Leben;
Der höher wächst, als die Seele hoffen, der Geist verbergen kann.
Und dies ist das Wunder, das die Sterne in ihren Bahnen hält.

Ich trage dein Herz.
Ich trage es in meinem Herzen.

9. Shelleys Gedicht erkundet die Verbindung zwischen Liebe und Natur und stellt die Frage, warum nicht alles in der Welt so harmonisch und vereint sein kann wie die Liebe.

Die Philosophie der Liebe
Percy Bysshe Shelley

Die Fontänen mischen sich mit dem Strom,
und die Ströme sich mit dem Ozean,
und die Winde des Himmels vermischen sich ständig
mit süßer Emotion;
Nichts auf der Welt ist allein;
durch göttliches Gesetz mischt
sich alles mit eines anderen Sein –
warum dann ich nicht mit deinem?

Sieh, die Berge küssen den hohen Himmel,
Und die Wellen umklammern einander,
keiner Geschwisterblume könnt man vergeben,
wenn sie den Bruder verachtete;
und das Sonnenlicht umfasst die Erde,
und des Mondes Strahlen küssen die See;–
doch was sind all diese Küsse wert,
wenn du nicht küßt mich?

Original:
Love’s Philosophy

The fountains mingle with the river,
And the rivers with the ocean;
The winds of heaven mix forever
With a sweet emotion;
Nothing in the world is single;
All things by a law divine
In another’s being mingle –
Why not I with thine?

See, the mountains kiss high heaven,
And the waves clasp one another;
No sister flower could be forgiven
If it disdained its brother;
And the sunlight clasps the earth,
And the moonbeams kiss the sea;—
What are all these kissings worth,
If thou kiss not me?

10. Ein Traumtanz der Liebenden wird hier von Hebbel beschrieben.

Ich und Du
Friedrich Hebbel

Wir träumten von einander
Und sind davon erwacht,
Wir leben, um uns zu lieben,
Und sinken zurück in die Nacht.

Du tratst aus meinem Traume,
Aus deinem trat ich hervor,
Wir sterben, wenn sich eines
Im andern ganz verlor.

Auf einer Lilie zittern
Zwei Tropfen, rein und rund,
Zerfließen in eins und rollen
Hinab in des Kelches Grund.