Teil 4
EINE REISE DURCH DIE JAHRHUNDERTE
In meinem 4. Teil der Reihe „Deutsche Sprache – Schöne Sprache“ nehme ich Euch mit auf eine spannende Entdeckungstour durch die Vergangenheit unserer vielfältigen Muttersprache.
Germanische Wurzeln: Die Familie, aus der das Deutsche stammt
Stell Dir die deutsche Sprache als Teil eines großen Stammbaums vor! Ihre Wurzeln reichen tief in die Zeit der alten Germanen zurück. Wie Geschwister in einer Familie teilt sie ihre Herkunft mit dem Englischen und Niederländischen. Kein Wunder also, dass diese Sprachen einander oft zum Verwechseln ähnlich sind.
Heute lassen fast 100 Millionen Menschen die deutschen Wörter und Sätze über ihre Lippen fließen – eine gewaltige Sprachgemeinschaft! Von den schneebedeckten Alpen der Schweiz über die grünen Täler Österreichs bis zu den norddeutschen Küsten ist Deutsch zuhause. Aber das ist noch nicht alles: Auch in den malerischen Landschaften Liechtensteins, auf den geschäftigen Straßen Luxemburgs und in verstreuten Regionen Belgiens, Frankreichs, Dänemarks und Italiens kannst du deutsche Wortfetzen auffangen.
Ein kunterbunter Flickenteppich: Hochdeutsch und seine dialektalen Farben
„Grüß Gott!“ ruft man im Süden, „Moin!“ im Norden, und dazwischen gibt es unzählige Variationen, wie Menschen sich begrüßen. Wenn wir von „Deutsch“ sprechen, denken wir meist an Hochdeutsch, jene Sprachvariante, die ursprünglich in der Mitte und im Süden ihre Heimat hatte. Die Norddeutschen dagegen plauderten früher auf Niederdeutsch oder „Plattdütsch“, wie sie es liebevoll nennen. Doch wie Wasser, das seinen Weg findet, sickerte das Hochdeutsche langsam nach Norden und wurde zur gemeinsamen Sprache aller Deutschen.
Das wahre sprachliche Abenteuer beginnt aber, wenn Du durch Deutschland reist! Wie ein bunter Flickenteppich breiten sich die Dialekte über die Landkarte aus. Im bayerischen Wirtshaus klingt das Deutsche so anders als im sächsischen Café oder im schwäbischen Wohnzimmer, dass du manchmal zweimal hinhören musst, um zu verstehen. Die Aussprache tanzt, das Vokabular wirbelt, und manchmal verdrehen sich sogar die grammatikalischen Strukturen – ein lebendiges Kaleidoskop lokaler Sprachtraditionen, das Sprachwissenschaftler begeistert und Sprachlernende manchmal verzweifeln lässt!
Die faszinierende Zeitreise der deutschen Sprache
Stellen wir uns eine Zeitreise durch die Jahrhunderte vor! Die Entwicklung des Deutschen gleicht einem spannenden Abenteuer durch die Geschichte:

Althochdeutsch: Die geheimnisvolle Geburtsstunde (8. Jahrhundert bis 1050)
Wusstest Du, dass wir über die Ursprünge der deutschen Sprache erstaunlich wenig wissen? Wie ein verborgener Schatz lag das frühe Deutsch im Schatten des Lateinischen verborgen. Erst im 8. Jahrhundert tauchen die ersten schriftlichen Zeugnisse auf: magische Zaubersprüche, religiöse Texte und vereinzelte Dichtungen.
In dieser Zeit begann in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz ein sprachlicher Wandel, der die Landschaft des Deutschen für immer verändern sollte: Die „zweite Lautverschiebung“ formte die Sprache neu. Aus „Kopp“ wurde „Kopf“, aus „Holt“ entstand „Holz“ – ein Klangwandel, der bis heute die südlichen Dialekte von den nördlichen unterscheidet.
Stell Dir vor: Könntest Du damals durch ein mittelalterliches Dorf wandern, würdest Du von Ort zu Ort völlig verschiedene Dialekte hören, die alle unter dem Begriff „Althochdeutsch“ zusammengefasst werden!
Mittelhochdeutsch: Die Zeit der Helden und Minnesänger (1050 bis 1350)
Das Mittelalter brachte eine kulturelle Blütezeit mit sich. In den Burgen und Höfen erklangen die zauberhaften Lieder der Minnesänger, die von Liebe und Rittertum erzählten. Das gewaltige Epos des Nibelungenliedes entstand – ein literarisches Meisterwerk, das von Siegfried, dem Drachentöter, und dem Schatz der Nibelungen berichtet.
Die Sprache dieser Zeit klingt für uns heute fremd und doch seltsam vertraut. Hier eine kleine Kostprobe aus dem Nibelungenlied: „Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit“ – „In alten Erzählungen wird uns viel Wunderbares berichtet von preiswürdigen Helden, von großer Mühsal.“
Neuhochdeutsch: Die Geburt unserer modernen Sprache (ab 1350)
Mit einem Paukenschlag betrat Martin Luther die Bühne der Geschichte! Seine Bibelübersetzung war nicht nur ein religiöses Werk, sie war ein sprachliches Erdbeben. Luther wählte bewusst eine Sprache, „dem gemeinen Mann auf dem Markte“ verständlich und schuf damit ein Fundament für ein überregionales Deutsch.
Wie ein langsam fließender Strom formte sich über die Jahrhunderte das Neuhochdeutsche. Goethe und Schiller, die beiden Giganten der deutschen Literatur, verfeinerten die Sprache zu einem präzisen Instrument der Dichtkunst. Seit etwa 1750 würden wir das gesprochene Deutsch auch heute weitgehend verstehen – eine faszinierende Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart!
Wo Deutsch offiziell den Ton angibt
Stell Dir vor, wie unterschiedlich ein Amtsstempel klingen kann! In Deutschland, Österreich und Liechtenstein drückt nur das Deutsche seinen offiziellen Sprachstempel auf jedes Dokument. Ganz anders in der Schweiz, diesem vielsprachigen Alpenjuwel – hier teilt sich Deutsch den Amtstisch mit Französisch, Italienisch und dem geheimnisvoll klingenden Rätoromanisch. Die Schweizer Kantone entscheiden dabei selbst, welche Sprache in ihren Schulen die Hauptrolle spielt.
In Luxemburg mischt sich Deutsch in einen dreistimmigen Chor mit Luxemburgisch und Französisch. Und auch in Belgien tanzt es im offiziellen Sprachenballett mit Französisch und Niederländisch.
Aber das Deutsche hat noch mehr verborgene Nester in Europa! In den sonnenverwöhnten Tälern Südtirols, wo italienische Lebensart auf deutsche Sprachtraditionen trifft, genießt es einen besonderen Status. Auch im Süden Dänemarks, wo der Wind über die flache Landschaft pfeift, kannst du auf offizielle deutsche Worte stoßen.
Das vielleicht überraschendste Zuhause für die deutsche Sprache liegt aber weit entfernt, unter der heißen Sonne Afrikas: In Namibia, wo deutsche Kolonialgeschichte ihre Spuren hinterlassen hat, ist Deutsch eine anerkannte Sprache. In manchen namibischen Klassenzimmern lernen Kinder noch heute ihre Mathematik und Geschichte auf Deutsch – ein faszinierendes Echo europäischer Sprachtradition am anderen Ende der Welt!
Ein lebendiges Spracherbe für die Zukunft
Unsere Reise durch die deutsche Sprache endet hier, zumindest vorerst! Was wir gesehen haben, ist ein lebendiger Organismus, der atmet, wächst und sich ständig neu erfindet. Mehr als tausend Jahre Geschichte haben ihre Spuren in jedem Wort hinterlassen, das wir sprechen.
Von den geheimnisvollen Zaubersprüchen des Althochdeutschen über die poetischen Klänge des Mittelalters bis zu Goethes und Schillers unsterblichen Versen – die deutsche Sprache ist ein Schatz, den Generationen vor uns gehütet und weitergegeben haben.
Wenn Du das nächste Mal deutsche Worte hörst oder liest, denk daran: Du bist Teil einer Sprachgemeinschaft, die Zeit und Raum überspannt. In jedem Satz schwingt die Geschichte mit, in jeder Redewendung versteckt sich ein Stück kulturelles Erbe. Die deutsche Sprache ist ein faszinierendes Abenteuer, das nie endet!
Dieser Blogbeitrag wurde inspiriert von Informationen aus dem deutschen Klexikon, einer wunderbaren freien Enzyklopädie für Kinder. Und durch meinen Sohn, der kürzlich einen Vortrag über Martin Luther und die Übersetzung der Bibel in eine verständliche Sprache für das Volk hielt. Aus diesem Grund habe ich den Beitrag auch sehr lebendig und locker gehalten.