Des Dichters liebstes Kind

KREATIVITÄT

Von der Schönheit poetischer Wörter

Sprache begleitet uns täglich, doch für mich als Dichterin ist sie noch viel mehr als nur ein Mittel zur Verständigung. Worte haben für mich eine besondere Kraft – sie können Bilder malen, Emotionen wecken und uns in andere Welten entführen.

Deshalb liebe ich besonders die poetischen Wörter, weil sie nicht nur klingen, sondern auch schwingen – in unseren Herzen und Gedanken.

Gefühlen eine Stimme geben

Gerade in einer Welt, in der Sprache oft sachlich und funktional ist, finde ich es wichtig, die Schönheit ausdrucksstarker Wörter neu zu entdecken. Sie lassen Texte lebendiger wirken und verleihen Gefühlen eine Stimme.

Kleine Kunstwerke

Manche Wörter sind wie kleine Kunstwerke. Sie fangen Stimmungen ein, lassen Bilder in unserm Kopf entstehen und berühren unser Innerstes. Poetische Wörter können uns wahrlich verzaubern. Sogar tief verborgene Gefühle scheinen sie in uns wachzurufen.

Sanft wie ein Herbsthauch, leuchtend wie Morgentau und kraftvoll wie eine aufbrausende Welle.

Hier findest Du 40 klangvolle, seltene oder besonders ausdrucksstarke poetische Wörter.

Lass Dich mitnehmen auf eine Reise durch die Poesie der Sprache!

40 poetische Wörter:

1. Augenstern (gemeint ist die Pupille)
2. Aurora ( die Morgenröte)
3. Bronn (ein Brunnen)
4. Buhle, die (die Geliebte)
5. dräuen (drohen, sich zusammenbrauen)
6. düstern (dunkel werden, sich verdunkeln, sich verfinstern, sich zuziehen)
7. Emse (eine Ameise)
8. Erdenjam¬mer (das irdisches Leid, Unglück)
9. Erdferne (die Entrücktheit)
10. Ferge (der Fährmann)
11. Fittich (der Flügel oder die Schwinge)
12. Frühdämmer (die Morgendämmerung)
13. Frühlingshauch (der Frühlingsluft)
14. Gartenwurm (eine Schnecke)
15. Gedüft (der Duft der Blume/n)
16. Gestade (Teil des Festlandes, der an Wasser grenzt; Küste, Ufer)
17. Goldduft (golden leuchtende Luft oder sonnendurchflutet)
18. goldtrunken, goldestrunken (goldgierig; oder gierig nach Schönheit)
19. Hain (kleiner Wald, Waldstück)
20. Himmelan (zum Himmel empor)
21. Himmelsmeer (den Himmel als Meer gedacht)
22. hold (anmutig, lieblich, von zarter Schönheit)
23. Hort (ein Schatz, etwas Gehortetes)
24. Imme (die Biene)
25. Lebenspurpur (das Blut)
26. Lenz (der Frühling)
27. Leu (der Löwe)
28. lobpreisen (durch Lob verherrlichen; überschwänglich loben)
29. Luna (weibliche Personifikation des Mondes)
30. Minne (die Liebe)
31. Nachen (ein kleines Boot)
32. nachten (Nacht bzw. dunkel werden)
33. Schattentag (die Mondnacht)
34. sternenwärts (hinauf zu den Sternen)
35. Tann, der (ein Tannenwald)
36. ward (wurde)
37. Wellenreich (das Meer, der Ozean)
38. Weltenraum (der Weltraum, das All)
39. Weltkind (ein die Welt bejahender und genießender Mensch)
40. Zähre (eine Träne)

Beispiele in der Literatur

Das Häslein
Christian Morgenstern (1871-1914)

Unterm Schirme, tief im Tann,
hab ich heut gelegen,
durch die schweren Zweige rann
reicher Sommerregen.
Plötzlich rauscht das nasse Gras –
stille! Nicht gemuckt! –
Mir zur Seite duckt
sich ein junger Has –
Dummes Häschen,
bist du blind?
Hat dein Näschen
keinen Wind?

Doch das Häschen, unbewegt,
nutzt, was ihm beschieden,
Ohren, weit zurückgelegt,
Miene, schlau zufrieden.
Ohne Atem lieg ich fast,
lass die Mücken sitzen;
still besieht mein kleiner Gast
meine Stiefelspitzen …
Um uns beide – tropf – tropf – tropf –
traut eintönig Rauschen …
Auf dem Schirmdach – klopf – klopf – klopf …
Und wir lauschen … lauschen …

Wunderwürzig kommt der Duft
durch den Wald geflogen;
Häschen schnuppert in die Luft,
fühlt sich fortgezogen;
Schiebt gemächlich seitwärts, macht
Männchen aller Ecken …
Herzlich hab ich aufgelacht –
Ei, der wilde Schrecken!

Der Handschuh
Friedrich Schiller (1759-1805)

Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auftut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen,
Und schüttelt die Mähnen
Und streckt die Glieder
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behend
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor,
Wie der den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif,
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu
Grimmig schnurrend,
Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder;
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier,
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf, da wirds still;
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern sich die greulichen Katzen
[…]