Die schönsten Kindergedichte
DER DEUTSCHEN SPRACHE
Ich erinnere mich immer gern daran, wie ich als Kind von meiner Uroma Gedichte vorgetragen bekam.
Gedichte, die sie bereits 70 Jahre vorher in der Schule gelernt und immer noch präsent in ihrem Kopf hatte. Ich fragte mich, wie das möglich war; nach all dieser Zeit. Gleichzeitig erschien es mir undenkbar, dass ich selbst im späteren Alter an so etwas wie ein Kindergedicht denken würde.
Ich bin zwar noch nicht so alt wie meine Uroma damals, jedoch kann ich durchaus den Zauberlehrling in Auszügen vortragen. Geht es Dir auch so? Oder hast Du eventuell ein anderes Gedicht im Sinn?
Schau selbst, ob Du hier ein Kindergedicht findest, welches Dir bekannt vorkommt bzw. sogar hängen geblieben ist:

1. Dieses Gedicht, das die Geschichte eines Lehrlings erzählt, der Zauberkräfte missbraucht und dann von den Konsequenzen überrascht wird, ist ein Klassiker. Es ist lebhaft und fantasievoll, was Kinder anspricht.
Der Zauberlehrling
von Johann Wolfgang von Goethe
Hat der alte Hexenmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort‘ und Werke
Merkt ich und den Brauch,
und mit Geistesstärke
tu ich Wunder auch.
Walle! Walle!
Manche Strecke,
dass, zum Zwecke,
Wasser fliesse
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergiesse.
Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
Bist schon lange Knecht gewesen;
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
mit dem Wassertopf!
Walle! Walle!
Manche Strecke,
dass, zum Zwecke,
Wasser fliesse
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergiesse.
Seht, er läuft zum Ufer nieder;
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
und mit Blitzesschnelle wieder
ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
voll mit Wasser füllt!
Stehe! Stehe!
Denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! –
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
hab ich doch das Wort vergessen!
Ach, das Wort, worauf am Ende
er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.
Nein, nicht länger
kann ich’s lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!
Willst’s am Ende
gar nicht lassen?
Will dich fassen,
will dich halten
und das alte Holz behende
mit dem scharfen Beile spalten.
Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
und ich atme frei!
Wehe! Wehe!
Beide Teile
stehn in Eile
schon als Knechte
völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Und sie laufen! Nass und nässer
wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! –
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist gross!
Die ich rief, die Geister,
werd ich nun nicht los.
»In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
erst hervor der alte Meister.
* * *
2. Mit seinem schwarzen Rock ist der Weißstorch auch bekannt als Glücksbringer („Adebar“). Bei Kindern wird er hauptsächlich jedoch als Klapperstorch betitelt, da er mit seinem Schnabel ordentlich klappern kann.
Auf unsrer Wiese gehet was
von Hoffmann von Fallersleben
Auf unsrer Wiese gehet was,
watet durch die Sümpfe.
Es hat ein schwarzweiß Röcklein an
und trägt rote Strümpfe.
Fängt die Frösche, schnapp, schnapp, schnapp.
Klappert lustig, klapperdiklapp. Wer kann das erraten?
Ihr denkt: das ist der Klapperstorch,
watet durch die Sümpfe.
Er hat ein schwarzweiß Röcklein an
und trägt rote Strümpfe.
Fängt die Frösche, schnapp, schnapp, schnapp.
Klappert lustig, klapperdiklapp. Nein, das ist die Störchin.
* * *
3. Diese kurze Variante des berühmten Gedichtes kennt wohl fast jeder. „April, April, er weiß nicht was er will“! Es ist wunderbar für Kinder geeignet und lässt sich leicht lernen.
April
von Heinrich Seidel
April, April, der weiß nicht was er will.
Bald Regen und bald Sonnenschein,
Dann schneit’s auch wieder zwischendrein.
April, April, der weiß nicht was er will.
Nun seht, wie es wieder stürmt und weht.
Und jetzt, oh weh,
nun kommt er gar mit Schnee.
April, April, der weiß nicht was er will.
* * *
4.Dieses schöne Naturgedicht über einen Apfel ist für Kinder ab dem Grundschulalter geeignet.
Vom schlafenden Apfelbaum
von Robert Reinick
Im Baum, im grünen Bettchen,
Hoch oben sich ein Apfel wiegt,
Der hat so rote Bäckchen,
Man sieht, dass er im Schlafe liegt.
Ein Kind steht unterm Baume,
Das schaut und schaut und ruft hinauf:
„Ach, Apfel, komm herunter!
Hör endlich doch mit Schlafen auf!“
Es hat ihn so gebeten,-
Glaubt ihr, er wäre aufgewacht?
Er rührt sich nicht im Bette,
Sieht aus, als ob im Schlaf er lacht.
Da kommt die liebe Sonne
Am Himmel hoch daherspaziert.
„Ach Sonne, liebe Sonne,
Mach du, daß sich der Apfel rührt!“
Die Sonne spricht: „Warum nicht?“
Und wirft ihm Strahlen ins Gesicht,
Küßt ihn dazu so freundlich;
Der Apfel aber rührt sich nicht.
Nun schau! Da kommt ein Vogel
Und setzt sich auf den Baum hinauf.
„Ei, Vogel, du mußt singen,
Gewiß, gewiß, das weckt ihn auf!“
Der Vogel wetzt den Schnabel
Und singt ein Lied so wundernett.
Und singt aus voller Kehle;
Der Apfel rührt sich nicht im Bett.
Und wer kam nun gegangen?
Es war der Wind, den kenn ich schon,
Der küßt nicht und der singt nicht,
Der pfeift aus einem andern Ton.
Er stemmt in beide Seiten
Die Arme, bläst die Backen auf
Und bläst und bläst; und richtig,
Der Apfel wacht erschrocken auf.
Und springt vom Baum herunter
Grad in die Schürze von dem Kind;
Das hebt ihn auf und freut sich
Und ruft: „Ich danke schön, Herr Wind!“
* * *
5. Das Kindergedicht lässt uns die Welt noch einmal mit Kinderaugen sehen – träumend, fantasiegeschwängert und leicht.
Die Enten laufen Schlittschuh
von Christian Morgenstern
Die Enten laufen Schlittschuh
auf ihrem kleinen Teich.
Wo haben sie denn die Schlittschuh her –
sie sind doch gar nicht reich?
Wo haben sie denn die Schlittschuh her?
Woher? Vom Schlittschuhschmied!
Der hat sie ihnen geschenkt, weißt du,
für ein Entenschnatterlied.
* * *
6. Ein ganz zauberhaftes Naturgedicht ist das Gedicht „Der Frühling ist ein Maler“ und beschreibt auf einfache Weise, wie die Natur aus dem Winterschlaf erwacht.
Der Frühling ist ein Maler
von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Der Frühling ist ein Maler,
Er malet alles an.
Die Berge mit den Wäldern,
Die Täler mit den Feldern:
Was der doch malen kann!
Auch meine lieben Blumen
Schmückt er mit Farbenpracht:
Wie sie so herrlich strahlen!
So schön kann keiner malen,
So schön, wie er es macht.
O könnt‘ ich doch so malen,
Ich malt ihm einen Strauß.
Und spräch in frohem Mute
Für alles Lieb und Gute
So meinen Dank ihm aus!
* * *
7. Ringelnatz umschreibt bildlich den Lauf der Natur und die wunderbare Geschichte einer Amsel, die sich in dem Baum wiederfindet, welcher aus dem Samenkorn erwuchs.
Das Samenkorn
von Joachim Ringelnatz
Ein Samenkorn lag auf dem Rücken,
Die Amsel wollte es zerpicken.
Aus Mitleid hat sie es verschont
und wurde dafür reich belohnt.
Das Korn, das auf der Erde lag,
Das wuchs und wuchs von Tag zu Tag.
Jetzt ist es schon ein hoher Baum
Und trägt ein Nest aus weichem Flaum.
Die Amsel hat das Nest erbaut;
Dort sitz sie nun und zwitschert laut.
* * *
8. Ein lustiges und fantasievolles Gedicht für Kinder ab 3 Jahren.
Die Feder
von Joachim Ringelnatz
Ein Federchen flog durch das Land;
Ein Nilpferd schlummerte im Sand.
Die Feder sprach: „Ich will es wecken!“
Sie liebte, andere zu necken.
Aufs Nilpferd setzte sich die Feder
Und streichelte sein dickes Leder.
Das Nilpferd sperrte auf den Rachen
Und musste ungeheuer lachen.
* * *
9. Ein sehr bekanntes Gedicht, welches ganz sicher immer noch an vielen Kinderbetten in der Kurzform vorgetragen wird.
Müde bin ich, geh‘ zur Ruh
von Luise Hensel
Müde bin ich, geh‘ zur Ruh‘,
schließe beide Äuglein zu.
Vater, laß die Augen dein
über meinem Bette sein.
Hab ich Unrecht heut getan,
sieh‘ es, lieber Gott, nicht an!
Deine Gnad‘ und Jesu Blut
machen allen Schaden gut.
Alle, die mir sind verwandt,
Gott, laß ruhn in deiner Hand.
Alle Menschen groß und klein,
sollen dir befohlen sein.
Kranken Herzen sende Ruh,
nasse Augen schließe zu,
laß den Mond am Himmel steh’n
und die stille Welt beseh’n.
* * *
10. Ein wunderschönes Gedicht über die Bienen, die täglich ohne Unterlass herumfliegen und die Blütenpollen einsammeln.
Summ, summ, summ!
von Hoffmann von Fallersleben
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Ei, wir tun dir nichts zu leide,
Flieg nur aus in Wald und Heide!
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Such in Blüten, such in Blümchen
Dir ein Tröpfchen, dir ein Krümchen
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Kehre heim mit reicher Habe,
Bau uns manche volle Wabe,
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Wollen bei den Christgeschenken
freudig deiner auch gedenken
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
Mit dem Wachsstock dann wir suchen
Pfeffernüss und Honigkuchen
Summ, summ, summ!
Bienchen summ herum!
* * *
11. Dies` Kindergedicht über den Schneemann fängt den Zauber des Winters ein und lässt sich wunderbar bereits im Kindergarten vortragen.
Der Schneemann auf der Straße
von Robert Reinick
Der Schneemann auf der Straße
trägt einen weißen Rock,
hat eine rote Nase
und einen dicken Stock.
Er rührt sich nicht vom Flecke,
auch wenn es stürmt und schneit.
Stumm steht er an der Ecke
zur kalten Winterszeit.
Doch tropft es von den Dächern
im ersten Sonnenschein,
da fängt er an zu laufen,
und niemand holt ihn ein.
* * *
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen oder auch Vorlesen.
Eure Kathrin